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Horst-Werner Dumjahn: Die Autoren Tilo Schultz,
Abb. 497 (Seite 164): Raumabfolge Friedrichstraße. Die charakteristischen U-Bahn-Portale geben der Straße ihren Rhythmus.
»Dennoch wird die Friedrichstraße auch mit der Straßenbahn erschlossen. Sie kreuzt die Straße dreimal, und zwar im Zuge der Französischen Straße, der Leipziger Straße und der Kochstraße. So sorgt sie für die optimale Einbindung in Ost-West-Richtung. An allen drei Kreuzungspunkten ergeben sich Umsteigemöglichkeiten zur U-Bahn.« Dieses Textbeispiel steht hier als Beleg für die Gründlichkeit und den sachlichen Ton. Vielleicht wirkt die Arbeit auch deshalb so überzeugend? HWD. |
Dumjahn's
Bahn-Rezensionen online:
»Schienen sind ein Versprechen« Orb, Holger; Schütz, Tilo: Straßenbahn für ganz Berlin. Geschichte, Konzeption, Städtebau. Jaron Verlag : Berlin 2000. - Zur Bibliographie. Ist es Untertreibung, falsche Bescheidenheit - oder was sonst? Da kommt eins der wichtigsten Bücher in diesem Herbst (2000) laut Impressum zwar als »Originalausgabe« daher (ja, das ist schon ungewöhnlich genug) - aber der Verlag macht überhaupt keine Werbung ... Klar, die Leute im Verlag denken sich vielleicht, wofür gibts schließlich das Internet und Medien wie den frisch überarbeiteten buchkatalog.de - sollen die interessierten Buchhändler doch selbst gucken ... Schon gemacht - und so kam die Redaktion ohne den Verlag an das (selbst gekaufte) Rezensionsexemplar. Dieser Mausklick war eine gute Idee, schon das Vorwort von Jan Gympel stimmt den Leser auf das Thema ein, es macht richtig an: Haben Sie schon mal einen Busfanatiker getroffen? Haben Sie jemals Massen Verzückter erlebt, die sich um den besten Platz zum Photographieren alter Omnibusse balgten? Menschen, die Aufnahmen von Busmotorgeräuschen lauschen und alte Busutensilien hüten wie kostbare Reliquien? Warum war für mich als Kind die U-Bahn von größter Faszination - im West-Berlin der siebziger Jahre, wo die Straßenbahn nicht mehr existierte, die Eisenbahn eine überaus triste Randexistenz fristete und die S-Bahn so äh-baba war, daß ein anständiger Mensch nicht einmal an sie dachte? Warum spielte ich - da Lokführer angesichts der lokalen Verhältnisse allzuviel Phantasie erfordert hätte - mit anderen Kindern Zugabfertiger, aber niemals Busfahrer, wo die BVG doch ein so großes Busnetz unterhielt? Die Antwort auf all diese Fragen ist so einfach wie niederschmetternd: Der Omnibus ist die reizloseste Form öffentlichen Nahverkehrs. Deshalb gibt es, wenn eine Linie gestrichen oder umgeleitet wird, bestenfalls Beschwerden von Anwohnern, denen damit günstige (Direkt-) Verbindungen genommen werden. Aber noch nie ist es zu vergleichbar überbordenden Sentimentalitäten gekommen wie jenen, mit denen die West-Berliner Linie für Linie die Schlachtung ihrer Straßenbahn begleiteten (ohne freilich auf der politischen Ebene irgendetwas dagegen zu unternehmen, so mächtig war der damalige Zeitgeist). Und wen schert schon, wann welches Busmodell seinen letzten Einsatztag erlebt? Natürlich gibt es Verkehrsfans, die sich auch dieses Transportmittels annehmen, alte Wagen pflegen, rekonstruieren und vorführen, und ihre Arbeit ist so lobenswert und wichtig wie die ihrer Kollegen, die sich mit historischen Straßenbahnen befassen. Doch über das Verschwinden eines Bustyps aus dem Berliner Stadtbild berichtet niemand, keine Horden von Hobbyphotographen fallen über die Wagen her wie zuletzt wieder beim Abschied von den »Reko«-Straßenbahnen und den »Stadtbahn«-Wagen der S-Bahn geschehen. Ebensowenig ist vorstellbar, daß die Aufrechterhaltung des Busnetzes von der Öffentlichkeit mit solch Argusaugen verfolgt werden würde wie im Falle der Straßenbahn, die andernfalls von der Großen Senatskoalition wahrscheinlich schon mit schönen Ausreden teilweise beseitigt worden wäre ... Das Buch ist das Ergebnis einer Studie »Straßenbahn für ganz Berlin«, es wurde im Rahmen eines »selbstbestimmten Studienprojektes« von Holger Orb und Tilo Schütz am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin, Fachgebiet Städtebau und Siedlungswesen, Prof. Luise King, 1997 und 1998 erarbeitet und 1999 vertieft. Unter Mitarbeit von Urs Brauer wurde 1999 das Strecken - und Liniennetz (vgl. die Titelabb. der Planbeilage) auf den jetzigen Stand gebracht. Eine Arbeit, die sich gelohnt hat. Oder, anders ausgedrückt: Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Schon die Kapitelüberschriften machen deutlich, was den Leser erwartet: - Straßenbahn und Stadtentwicklung. Ein Menge Stoff für knapp 200 Seiten, noch dazu, wenn man erfreut feststellt, daß das Buch mit immerhin 542 (durchnumerierten) Abbildungen ausgestattet ist. Informative Bildlegenden (und Fußnoten) helfen auch dem Leser weiter, der in Berlin nicht alle Stadtteile resp. Bezirke gleich gut kennt. Vgl. hierzu das informative Beispiel in der Marginalspalte. (Wer sich mit Namen besser auskennt, der wird im Literaturverzeichnis bemerken, daß Jahrbuch-Autor Alfred Gottwaldt auch hier wieder - gleich zweimal - auf das »t« im Nachnamen verzichten mußte. Es wird halt überall gespart, aber warum immer zuerst in den Lektoraten?)
An anderer Stelle schreiben die Autoren, daß die U-Bahn »an Bedeutung verlieren« wird, »vor allem im Zusammenhang mit der Reaktivierung der S-Bahnstrecken von Spandau nach Zoo und Jungfernheide sowie dem Wiederaufbau der Siemensbahn.« Die Schlußfolgerung, Seite 116: »Dies zeigt, daß der U-Bahn-Bau in West-Berlin nicht verkehrspolitischen, sondern ideologischen Aspekten folgte.« Überhaupt: An diesem Straßenbahnbuch gefällt, daß es nicht auf der Nostalgie-Welle schwimmt (»Rettet die Straßenbahn«), sondern in einer beispiellosen Gründlichkeit allen Verantwortlichen aufzeigt, was zu tun ist, sozusagen als Handlungsanweisung bis ins Jahr 2038. Auf daß man dann auch wieder mit der Straßenbahn zum Reichstag, ins Spandauer Johannesstift, zum Roseneck, Grunewald, oder »nur mal eben« nach Kreuzberg fahren kann: Auf der restaurierten Oberbaumbrücke liegen immerhin schon die Straßenbahnschienen. Erschreckend sind in diesem Zusammenhang die Bilder aus dem Westteil der Hauptstadt: Breit angelegte »Straßenräume« mit Mittelstreifen, auf denen einst - zweigleisig - Straßenbahnen verkehrten, wurden nach dem »Komplettabbau der Gleise« (Seite 31) beispielsweise zu Parkplätzen umfunktioniert. Der Abbau der Gleise zog sich übrigens über mehr als 20 Jahre hin! Die Hauptstadt verfügte einst über das größte Straßenbahnnetz Deutschlands, die Tram war Verkehrsmittel Nr. 1 in Berlin - das Netz im Westen wurde in den sechziger Jahren systematisch entwertet und am 2. Oktober 1967 war dann endgültig Schluß für die alte West-Berliner Straßenbahn. An diesem Tag fuhren die Züge der 55 vormittags noch einmal ihren Weg zwischen Hakenfelde und dem Bahnhof Zoo, sie wurden dann in einem großen Korso verabschiedet. Im Oberflächenverkehr übernahm der Bus die Führung, die Titelseite des BVG-Winterfahrplans (»Gültig ab Oktober 1967«) zeigt das sehr anschaulich. Die Zukunft des Berliner ÖPNV heißt nach diesem Buch und den »Kriterien der Netzentwicklung« jedenfalls wieder Straßenbahn. Es lohnt sich, da tiefer einzusteigen: Das Streckenkonzept findet man schön detailliert und übersichtlich ab Seite 109, die Autoren schreiben auch über die Fahrzeuge und gehen der Frage »Einrichtungs- oder Zweirichtungsfahrzeuge« (wer hat bloß diese scheußlichen Begriffe erfunden?) nach. Im Sinne einer Machbarkeitsstudie folgen dann Vorschläge für den stufenweisen Ausbau und die Jahreszahlen für die Eröffnungen. Natürlich fehlen auch die Kostentabellen nicht. Über knapp 40 Jahre verteilt, erscheinen selbst die addierten 4,6 Milliarden DM als vertretbar- und damit als realistisch.
Eigentlich ist an alles gedacht, das Linienkonzept zeigt es: Ost-West-Direktverbindungen (10er Linien), Ring- und Tangentiallinien (20er Linien), das Spandauer Netz (30er Linien), das Innenstadtnetz) 40er Linien), das Nordnetz (50er Linien), das Köpenicker Netz (60er Linien), das Südnetz (70er Linien), das Südwestnetz (80er Linien) und das Ostnetz (90er Linien). Das wäre dann, im Jahre 2038 könnte alles fertig sein, sozusagen das »kleine Einmaleins« der Berliner Straßenbahnen. (Kleiner Wermutstropfen: Sigurd Hilkenbach müßte man für seine »Die Straßenbahnen in Berlin«-Bücher später bei Alba deutlich mehr als die jetzigen 160 Seiten zur Verfügung stellen. Aber vielleicht macht ja auch der Jaron-Verlag ein Angebot?) Mit diesem Buch könnte nun für Berlin eine verkehrspolitische Wende eingeläutet werden. Jeder Jahrbuch-Leser sollte es haben, lesen und überall da als Beispiel »hochhalten«, wo es auf den Straßen seiner Stadt (oder seiner Region) noch nicht so läuft wie es laufen könnte. Denn: Im Sinne des eingangs erwähnten »selbstbestimmten Studienprojektes« könnte Berlin überall sein. Fazit: »Straßenbahn für ganz Berlin« ist ein gelungenes, ein verdienstvolles, ein wichtiges Buch. Horst-Werner Dumjahn © Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Dumjahn Verlages. Über den Rezensenten |
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